Er führt mehrstündige Operationen durch, kann einen komplizierten Bruch sicher schienen oder den Blinddarm durch ein Schlüsselloch großes Loch aus dem Körper befördern: der Chirurg. Schon seit langer Zeit lassen sich Menschen von diesem Wundarzt – so nannte man die Heilkundigen im Mittelalter – behandeln. Je fortschrittlicher die Zeit, desto filigraner entwickelte sich die Handwerkskunst der Chirurgen. Was der Facharzt alles kann und welche unterschiedlichen chirurgischen Disziplinen es gibt, steht hier.
Was ist ein Chirurg?
Dieser Arzt gehört zu den Feinmechanikern der Medizin. Er schneidet, lasert, schraubt, schient, klebt und verarztet alles am Körper, was nicht gesund ist. Der Chirurg behandelt dabei nicht nur die Knochen, sondern ebenso die Haut, die Organe und alle weiteren Strukturen. Er wird immer dann hinzugezogen, wenn der Mensch verletzt ist (etwa nach einem Unfall) oder wenn die Oberfläche des Körpers geöffnet werden muss – also im Falle einer Krankheit.
Kleine Retrospektive der Chirurgie
Belegt ist, dass bereits vor rund 50.000 Jahren die Neandertaler chirurgische Eingriffe durchführten – und viele Frühmenschen überlebten die Operationen! In der Antike wuchs das Wissen rund ums Schneiden und Blutstillen. Die Behandlungsmethoden waren jedoch noch sehr archaisch. [1]
Im Mittelalter wurde die chirurgische Heilkunst dann als „Wundarznei“ bezeichnet. Hintergrund war, dass nahezu alle Patienten nach der Behandlung mit schweren Infektionen (Wundbrand) zu kämpfen hatten. Als sogenannte „Bader“ wanderten die Heiler durchs Land und boten ihre Dienste an. Sie zogen Zähne, nahmen einen Aderlass vor oder versorgten Knochenbrüche – bei Mensch und Tier.
In der Neuzeit nahmen die kriegerischen Auseinandersetzungen zu. Nun wurden immer mehr Chirurgen auf den Schlachtfeldern Europas gebraucht. Weil die Mediziner fast ausnahmslos Amputationen vornahmen, nannte man die Wundärzte auch „Feldschere“ oder kurz „Feldscher“. Die Kriegschirurgie ging nahezu immer mit der Verstümmelung des Verletzten einher. Für den weiteren Kriegsdienst waren die meisten Soldaten nicht mehr zu gebrauchen. [2]
Erst die Möglichkeiten der Narkose brachten Fortschritte
Erst als es ab dem frühen 19. Jahrhundert gelang, Patienten über Minuten hinweg zu anästhesieren, verfeinerte sich das Können der Ärzte. Während der Erkrankte in Narkose lag, konnte der Chirurg erstmalig in Ruhe arbeiten. Trotzdem hielt eine solche Betäubung nur kurze Zeit lang an.
Im 19. Jahrhundert entdeckte man zudem den Zusammenhang zwischen der Verwendung von schmutzigem Operationsbesteck und dem Tod des Patienten. Nun experimentierten Ärzte damit, sich vor einem Eingriff die Hände zu waschen und die Werkzeuge zu reinigen. Durch die zunehmende Sterilisation von OP-Besteck, Kitteln und Händen ließ sich die Infektionsgefahr des Patienten signifikant senken.
Einen letzten Quantensprung der Chirurgie löste in der Moderne der Arzt Johann von Mikulicz aus. Er gilt als Vordenker der Schlüssellochchirurgie. Das Neue an seiner Idee: Die Instrumente werden in den Körper des Erkrankten eingebracht. Weil dafür nur sehr kleine Schnitte nötig sind, verringerte sich das OP-Risiko des Patienten nochmals beträchtlich. Zwar dauerte es nach der Erfindung von Mikulicz einige Jahrzehnte, bis sich das endoskopische Verfahren etablierte – heute jedoch ist die Schlüssellochchirurgie aus den Operationssälen der Welt nicht mehr wegzudenken. Die Methode wird stationär wie ambulant genutzt. [3]
Was macht ein Chirurg heute?
Die Aufgabengebiete eines Chirurgen sind facettenreich. Entgegen der weitläufigen Meinung agiert er nicht immer als Operateur, sondern übt seinen Beruf ebenso gut konservativ aus. Er verschreibt Orthesen, diagnostiziert einen Leistenbruch, verätzt Krampfadern, entfernt Lipome oder verklebt gerissene Arterien.
Es gibt acht Fachrichtungen, die sich an den Krankheitsbildern orientieren:
Allgemeinchirurgie
Der Allgemeinchirurg verfügt über ein breites Wissen und überblickt alle chirurgischen Disziplinen gleichermaßen. Aus diesem Grund ist er häufig in der Notaufnahme anzutreffen. Hier entscheidet er, welche weiteren Spezialisten aus dem Bereich der Unfall-, Gefäß-, Viszeral- oder der Thoraxchirurgie in den Fall mit einbezogen werden müssen. Er ist quasi das Universaltalent der Chirurgie.
Viele Allgemeinchirurgen machen sich aber auch mit einer eigenen Praxis selbstständig. Dann helfen sie etwa Patienten, die unter Schmerzen am Rücken, Ellenbogen, den Füßen oder sonstigen Problemen am Bewegungsapparat leiden. Von hier aus überweisen sie den Patienten gegebenenfalls zu einem Spezialisten weiter.
Gefäßchirurgie
Ob Venenleiden, Arterienverkalkung, Krampfadern oder die angeborene Fehlbildung von Blutgefäßen: Der Gefäßchirurg ist auf die besonders feine und präzise Korrektur des verzweigten Gefäßsystems spezialisiert. Dabei braucht der Chirurg viel Geduld und zum Befestigen der feinen Nähte jede Menge Fingerspitzengefühl. Als Operateur zieht er Rohrprothesen ein, setzt Bypässe und nimmt Verödungen oder Sklerosierungen beispielsweise von Hämorrhoiden vor. Die Eingriffe werden in der Regel minimalinvasiv durchgeführt. Kleinere Leiden können beispielsweise in einer Tagesklinik oder einem spezialisierten Venenzentrum therapiert werden.
Herzchirurgie
Hier steht das Herz im Mittelpunkt des chirurgischen Könnens. Dieser Chirurg kümmert sich immer dann um den Patienten, wenn spezifische kardiologische Probleme vorliegen. Das können Erkrankungen der Herzklappen, Verletzungen im Bereich der Herzkammern, Verengungen der Schlüsselbeinarterie oder gar verstopfte Lungenvenen sein. Bypässe oder Stents werden dabei meist endoskopisch eingesetzt – für eine Herztransplantation wird der Brustkorb geöffnet. [4]
Kinderchirurgie
Dieser Chirurg ist auf die Bedürfnisse von kleinen Patienten spezialisiert. Dabei behandelt er fachübergreifend. Ob Tumorentfernung, Blasenrekonstruktion, Blinddarmentfernung oder Leistenbruch – all diese Operationen gehören in das Tätigkeitsgebiet des Arztes. Behandelt werden Säuglinge, Kleinkinder, Schulkinder und junge Teenager. Viele Kinderchirurgen bilden sich in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie oder der Urologie weiter.
Orthopädie und Unfallchirurgie
Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie ist oft in der Trauma-Ambulanz anzutreffen. Hier kümmert er sich um die Wiederherrichtung von Brüchen, dämmt Störungen des Bewegungsapparates ein und rekonstruiert Verletzungen von Skelett und Gelenken. Der Chirurg ist nicht nur im Notfall für den Patienten verantwortlich, sondern begleitet den Erkrankten meist durch die gesamte Phase der Genesung.
Plastische und Ästhetische Chirurgie
Dieser Zweig der schneidenden Zunft hat es sich zur Aufgabe gemacht, optische Defekte von Patienten zu korrigieren und den Menschen wiederherzustellen. Zu den typischen Einsatzgebieten zählt etwa die Glättung von Narben, die Korrektur von Verwachsungen oder die operative Angleichung der Gliedmaßen. [5]
Neben der medizinischen Ausrichtung spezialisieren sich viele dieser Chirurgen mittlerweile auf kosmetische Eingriffe. Darunter fällt etwa das Anlegen von Ohren, das Entfernen von Feigwarzen oder das Verjüngen von Haut und Bindegewebe. Kleinere Eingriffe wie beispielsweise eine Augenlidstraffung werden überwiegend ambulant in einer teilstationären Praxis vorgenommen.
Thoraxchirurgie
Sind Lunge oder Bronchien, das Brustfell, Zwerchfell oder das Brustbein erkrankt, hilft ein Thoraxchirurg. Insbesondere im Rahmen der Tumorbehandlung (bei Krebs), bei Verletzungen oder Infektionen der Luftwege ist das Können dieses Arztes gefragt. Dank der bildgebenden Verfahren und der Schlüssellochchirurgie gehen die Eingriffe meist ohne viel Blutvergießen vonstatten. [6]
Viszeralchirurgie
Ein solcher Chirurg wird immer dann in die Behandlung eingebunden, wenn es um Probleme rund um die inneren Organe des Bauchraums, des Dünndarms oder des Enddarms geht. Zu den typischen Krankheitsbildern gehören etwa Darmpolypen, Blut im Stuhl oder ein Pankreaskarzinom. Mittels Ultraschall und der minimalinvasiven Chirurgie bzw. Endoskopie lassen sich viele Erkrankungen relativ schonend therapieren. Behandelt werden beispielsweise Hämorrhoiden, Marisken, Leber- oder Milzverletzungen, Abszesse, eine Analfistel oder eine Analfissur. Übrigens: Ambulante Eingriffe werden häufig in einer spezialisierten Enddarmpraxis oder Tagesklinik gemacht. [7]
Was muss man über Chirurgen wissen?
Oft haben Patienten das Gefühl, von „ihrem“ Chirurgen nur kurz betreut und dann schon wieder im Stich gelassen zu werden. Die Behandlung wirkt oberflächlich oder der Chirurg scheint kein tieferes Interesse an dem Patienten zu haben. Doch der Schein trügt.
Chirurgen gehören zu den hoch spezialisierten Medizinern im Klinikalltag. Sie arbeiten meist im Team und wägen genau ab, inwiefern sie sich selbst einbringen oder unmittelbar einen Kollegen in die Behandlung einschließen. Weil viele Eingriffe kleinteilig und kompetenzübergreifend sind, besitzen Chirurgen ein hohes Maß an Team- und Kooperationsfähigkeit mit Ärzten anderer Fachrichtungen.
Im Normalfall sieht der Patient den Chirurgen deshalb nur kurz und im günstigsten Fall einmal. Hat er seine Arbeit getan, übergibt er unmittelbar an einen Kollegen. Das kann beispielsweise bei einem Kinderchirurgen der behandelnde Pädiater oder bei einem Viszeralchirurgen ein Proktologe sein. Wundern muss man sich als Erkrankter über den schnellen Arztwechsel nicht.
Kann man ohne Termin einen Chirurg aufsuchen?
Das ist nur im absoluten Notfall möglich, nämlich dann, wenn man mit einer schweren Erkrankung in die Ambulanz kommt. Im Normalfall muss man – ob Hautgeschwulst, Karpaltunnelsyndrom oder Colitis ulcerosa – zunächst seinen behandelnden Allgemeinmediziner aufsuchen. Dieser wird dann den Patienten an einen spezifischen Facharzt weiterüberweisen (z.B. einen Proktologen, Gynäkologen, Kardiologen, Dermatologen usw.). Erst wenn ein konkreter Eingriff am Körper bevorsteht, wird der passende Chirurg hinzugezogen. Das geschieht meist in der Klinik oder dem medizinischen Zentrum, in welchem der Eingriff stattfinden soll.
Wie wird man Chirurg?
Der Karriereweg ist lang und beginnt mit einem klassischen Medizinstudium. Dieser Ausbildungsabschnitt kann bis zu sechs Jahre lang dauern. Dabei durchläuft der Student viele klinische Fächer wie beispielsweise die Dermatologie, die innere Medizin, die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde oder die Strahlentherapie. Ziel der Ausbildung ist es, eine umfangreiche Kompetenz im Bereich der allgemeinen Heilkunde zu erlernen. Abgeschlossen wird das Studium nicht mehr mit einem Staatsexamen, sondern es müssen drei umfangreiche Prüfungen abgelegt werden. [8]
Nach dem Medizinstudium beginnt der Arzt mit der Facharztausbildung – in diesem Fall zum Facharzt für Chirurgie. Die Qualifizierung dauert nochmals rund fünf Jahre.
Nun beginnt die Spezialisierung auf eine der typischen Fachrichtungen. Diese sind [9]:
- Allgemeinchirurgie
- Gefäßchirurgie
- Herzchirurgie
- Viszeralchirurgie
- Kinderchirurgie
- Orthopädie und Unfallchirurgie
- Plastische und Ästhetische Chirurgie
- Thoraxchirurgie
Abgeschlossen wird die medizinische Fortbildung mit einer Prüfung. Viele Chirurgen bilden sich nun abermals weiter und spezialisieren sich auf ein explizites Teilgebiet ihrer Fachrichtung. Beliebte Sparten sind etwa die operative Tumorchirurgie, die Handchirurgie, die Rekonstruktive- und Verbrennungschirurgie oder die chirurgische Koloproktologie. [10]
Quellen:
[1] http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/schaedel-oeffnung-trepanation-steinzeit-arzt-im-praktikum-a-1203684.html
[2] http://www.spiegel.de/spiegelgeschichte/mittelalter-haeufig-schadeten-die-aerzte-ihren-patienten-a-913943.html
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_von_Mikulicz
[4] https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/herzkreislauf/article/533504/deutsche-herzchirurgen-spitze.html
[5] https://www.verbrennungsmedizin.de/leitlinien-verletzungen.php
[7] https://www.thieme.de/viamedici/klinik-faecher-chirurgie-1531/a/facharztcheck-allgemein-und-viszeralchirurgie-24321.htm
[8] https://www.bdc.de/chirurg-werden-gehoert-so-viel-mut-dazu/
[9] http://www.chirurg-werden.de/de/chirurgie/saeulen.html
[10] http://www.gefaesschirurgie.de/weiterbildung/weiterbildung-facharzt.html
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