Kaum eine medizinische Disziplin ist so facettenreich wie die Frauenheilkunde. Zwar sind rund 60 Prozent der durchgeführten Untersuchungen als reine Vorsorgemaßnahme einzustufen, trotzdem können sie auf ganz unterschiedlichen Beweggründen basieren: Während die eine Patientin eine Pilzinfektion vermutet, benötigt die nächste Frau eine endokrinologische Beratung. Wieder andere Patientinnen wünschen eine Pränataldiagnostik oder haben Fragen zur Verhütung. Was genau in den rund 7000 gynäkologischen Praxen in Deutschland passiert und mit welchen Beschwerden man beim Frauenarzt vorstellig werden kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Gynäkologe – was ist das für ein Arzt und was macht er?
Der „Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe“, so die offizielle Bezeichnung, kümmert sich um die Diagnostizierung und Behandlung aller krankhaften Veränderungen im Urogenitalbereich der Frau. Diese Berufsbezeichnung dürfen all jene Ärzte und Ärztinnen tragen, welche eine umfangreiche Weiterbildung im Bereich der Frauenheilkunde sowie der Geburtshilfe abgeleistet haben. Auch Erkrankungen der weiblichen Brust fallen in das Aufgabengebiet von Gynäkologinnen und Gynäkologen. [1]
Übrigens: Von den rund 16.300 Frauenärzten sind etwa 9.200 weiblich – Tendenz steigend.
Typische Beschwerden – wann sollte man einen Frauenarzt aufsuchen?
- Bei ungewöhnlich heftigen Regelschmerzen.
- Wenn die Periode sehr kurz oder zu lange andauert.
- Bei Zusatzblutungen oder Schmierblutungen mitten im Zyklus.
- Wenn die Periode bereits vor dem 11. Lebensjahr einsetzt.
- Oder wenn bis zum 16. Lebensjahr noch keine Regelblutung eingesetzt hat.
- Insofern eine Veränderung der Brust (Knoten, Schmerzen) zu fühlen ist.
- Wenn ausgesprochen viel Ausfluss austritt, das Sekret ungewöhnlich riecht oder verfärbt ist.
- Beim Verdacht auf eine Schwangerschaft.
- Zur Schwangerschaftsbetreuung.
- Wenn ein Schwangerschaftsabbruch gewünscht wird oder notwendig ist.
- Insofern die Wechseljahre mit Beschwerden einhergehen.
- Bei einer Entzündung der inneren oder äußeren Geschlechtsorgane.
- Bei unspezifischen Unterleibsschmerzen.
- Falls Schmerzen beim Geschlechtsverkehr auftreten.
- Bei Hautveränderungen wie Feigwarzen (Condylomata acuminata), Genitalherpes (Herpes genitalis) oder Ekzemen.
- Bei einem Pilz (Mykose) im Intimbereich.
- Bei Verdacht auf eine hormonelle Störung (einhergehend mit Haarausfall, Pickeln, unerfülltem Kinderwunsch).
- Bei einer Geschlechtskrankheit wie Syphilis (Lues), Gonorrhoe (Tripper) oder Chlamydien.
Warum ist der regelmäßige Besuch beim Gynäkologen wichtig?
Die meisten Termine beim Frauenarzt oder der Frauenärztin sind als reine Vorsichtsmaßnahme zu betrachten. Denn: Eine einmalige Krebsvorsorge bringt leider keine einhundertprozentige Sicherheit.
Ziel der Prophylaxe ist es, durch die regelmäßige Untersuchung krankhafte Veränderungen schon im Frühstadium erkennen und somit vermeiden zu können. Aus diesem Grund sollten auch jene Frauen turnusmäßig eine gynäkologische Praxis aufsuchen, die keine gesundheitlichen Probleme haben.
Wie oft sollte man zum Frauenarzt gehen?
Empfohlen wird, unabhängig vom Alter, ein Besuch pro Jahr – bei Beschwerden natürlich häufiger. Die meisten Frauen besuchen aber schon deshalb regelmäßig ihren Frauenarzt oder ihre Frauenärztin, weil sie ein Rezept für die Pille benötigen. Diese darf in Deutschland nur gegen die Vorlage einer ärztlichen Verordnung ausgehändigt werden.
Ab welchem Alter sollte man zum Frauenarzt hingehen?
Eine eindeutige Empfehlung gibt es nicht. Meist wird dann ein Termin vereinbart, wenn das Mädchen in der Pubertät ist oder sich zum Thema Verhütung informieren möchte. Um die erste Vorsorgeuntersuchung wahrzunehmen, sollte man spätestens mit dem Erreichen der Volljährigkeit zum Frauenarzt oder einer Frauenärztin gehen. [2]
Welche Untersuchungen führen Frauenärzte durch?
Häufig startet die gynäkologische Kontrolle mit dem Abtasten der Brust. Dafür muss sich die Patientin obenrum entkleiden und die Arme über dem Kopf verschränken. Der Arzt oder die Ärztin tastet vorsichtig das Brustgewebe sowie die Achseln nach Knoten oder Veränderungen ab. [3]
Danach kann die Frau ihren Oberkörper wieder bekleiden. Für die anschließende Unterleibsuntersuchung macht sie den Beckenbereich frei und nimmt auf einem gynäkologischen Stuhl Platz.
Ablauf einer gewöhnlichen Untersuchung beim Gynäkologen
- Externe Inspektion: Der Gynäkologe oder die Gynäkologin begutachtet den Zustand der äußeren Genitalien sowie des Afters.
- Vaginale Inspektion: Dabei wird ein Spekulum in die Scheide eingeführt. Indem das Untersuchungsinstrument die Wände der Vagina auseinanderspreizt, lassen sich Hautveränderungen am Geburtskanal, dem Gebärmutterhals und dem Muttermund erkennen.
- Gynäkologischer Portioabstrich: Beim Abstrich werden die Wände von Scheide und Muttermund mit einem Bürstchen oder Wattestäbchen abgetupft. Auf dem Wischer bleiben einige Schleimhautzellen hängen. Diese werden anschließend mikrobiologisch oder zytologisch untersucht. [4]
- Koloskopie: Oft wird die Vagina zusätzlich mit einem Koloskop untersucht. Dabei begutachtet man die Hautstruktur unter Zuhilfenahme einer leistungsstarken Lupe. Eventuell wird die Scheidenwand mit etwas Jod benetzt, um farbliche Veränderungen aufzuspüren.
- Palpation: Die Tastuntersuchung gibt Aufschluss über Größe und Lage von Gebärmutterhals, Gebärmutter, den Eileitern und den Eierstöcken. Dafür führt der Arzt einen Finger in die Vagina ein und drückt mit der anderen Hand von außen die Bauchdecke nach unten. So lassen sich die inneren Strukturen abtasten.
- Rektale Untersuchung: Diese Maßnahme wird nicht immer vorgenommen. Sie soll versteckt liegende Erkrankungen wie etwa Hämorrhoiden oder Marisken aufspüren. Dabei führt der Gynäkologe oder die Gynäkologin einen Finger in den Anus der Patientin ein und betastet diesen von innen.
- Sonographie: Für den Ultraschall wird ein konisch geformtes Gerät in die Vagina eingeführt. Durch das bildgebende Verfahren lassen sich Veränderungen oder Erkrankungen von Blase, Eierstöcken oder der Gebärmutter am Monitor darstellen.
Warum nimmt der Frauenarzt einen Abstrich?
Die so gewonnenen Zellen werden auf einen Objektträger aufgebracht. Die Gewebezellen lassen sich mit zwei Verfahren auswerten.
PAP-Test: Er gibt Aufschluss über Entzündungen, Krebsvorstufen (Zervixkarzinom), HPV-Infektionen, den Hormonstatus, die aktuelle Zyklus-Phase sowie Chlamydien. Auch eine Pilzinfektion lässt sich durch den Nachweis von Hefezellen feststellen. [5] Der PAP-Test wird von allen Krankenkassen bezahlt. Einziger Nachteil: Er schlägt in nur rund 50 Prozent der Erkrankungen auch tatsächlich an.
HPV-Test: Dieses Verfahren zeigt an, ob krankmachende humane Papillomaviren (HPV) vorhanden sind. Solche HPV-Viren lösen unter Umständen im Laufe des Lebens Krebs aus. Die allermeisten Frauen stecken sich mit ihnen an. Meistens heilt die Infektion jedoch unbemerkt aus. [6] Die Treffsicherheit eines HPV-Tests ist hoch. Das bringt jedoch den Nachteil mit sich, dass Frauen in Angst versetzt werden, bei denen die Infektion harmlos verläuft und ausheilt. Denn nur in wenigen Fällen bilden sich faktisch krankmachende Zellen heraus. Der Test wird immer dann von der Kasse bezahlt, wenn er zur Abklärung eines auffälligen PAP-Tests zusätzliche Gewissheit bringen soll. Ansonsten muss die Laborauswertung privat bezahlt werden (bis zu 150 EUR).
Welche medizinischen Eingriffe führt ein Gynäkologe durch?
Je nach Problem oder Erkrankung ist die Weiterbehandlung der Patientin notwendig. Frauenärzte, die in einer eigenen Praxis arbeiten, führen eher kleinere Eingriffe durch. Die gynäkologischen Abteilungen von Kliniken hingegen haben sich auf umfangreichere Operationen spezialisiert.
Überblick zu weiteren medizinischen Maßnahmen (ambulant und stationär):
- Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie), etwa bei Polypen, Myomen oder einer „verlorenen“ Spirale.
- Abschabung der Gebärmutter (Kürettage), beispielsweise nach einer Fehlgeburt oder zum Schwangerschaftsabbruch.
- Entfernung von Eierstockzysten mittels minimalinvasiver Chirurgie.
- Gebärmutterentfernung (Hysterektomie), etwa bei Myomen, Endometriose oder einer Gebärmuttersenkung.
- Konisation: Gewebeentnahme am Gebärmutterhals nach positivem Befund.
- Sterilisation durch Elektrokoagulation. [7]
Wie kann die Frauenärztin oder der Frauenarzt eine Schwangerschaft feststellen?
Besteht der Verdacht auf eine Schwangerschaft, wird ein Bluttest vorgenommen. Die Untersuchung gibt Aufschluss darüber, ob eine Befruchtung stattgefunden hat. Dann nämlich ist ein spezifisches Hormon im Blut der baldigen Mutter zu finden (HCG). Ein solcher Labornachweis ist bereits rund sechs Tage nach der Eibefruchtung möglich. Ein handelsüblicher Schwangerschaftstest für zuhause bringt erst rund 14 Tage nach dem eigentlichen Eisprung ein sicheres Ergebnis.
Bei welchen Beschwerden kann der Gynäkologe NICHT helfen?
Der Arzt bzw. die Ärztin ist auf die Behandlung des weiblichen Urogenitaltraktes spezialisiert. Doch nicht alle Angelegenheiten, die sich „unterhalb der Gürtellinie“ abspielen, können auch von ihm oder von ihr behandelt werden.
So fallen Probleme im Bereich des Darmausgangs zwar teilweise in das Tätigkeitsgebiet einer Frauenärztin – in der Regel erhält die Patientin aber eine Überweisung zu einem Kollegen. In dem Fall hilft beispielsweise der Proktologe. Er wird etwa bei Blut im Stuhl, Steißbeinfisteln (Sinus pilonidalis), einer Analthrombose oder Geburtsschäden in die Behandlung miteinbezogen.
Der Urologe wiederum ist der richtige Ansprechpartner, wenn die Patientin an spezifischen Problemen des Harnapparates leidet. Das können Senkungsbeschwerden, Inkontinenz oder eine Beckenbodenschwäche sein.
Warum gehen auch Männer mal zum Frauenarzt?
Gynäkologinnen und Gynäkologen sind auf die Gesunderhaltung der Brust spezialisiert – und das unabhängig vom Geschlecht. Zeigen sich Veränderungen im männlichen Brustgewebe (Knoten, Gynäkomastie), ist eine Abklärung erforderlich. Dann vereinbaren auch Männer einen Termin beim Frauenarzt. [8]
Wie wird man Gynäkologe?
Der gynäkologischen Facharztausbildung steht zunächst einmal ein reguläres Medizinstudium voran. Dieser Ausbildungsweg besteht aus theoretischen sowie praktischen Teilen und dauert viele Semester lang. Das Studium der Medizin wird mit einem Examen beendet.
Danach entscheiden sich die allermeisten Ärzte für einen spezifischen Zweig im Bereich der Humanmedizin – in diesem Fall für Frauenheilkunde und Geburtshilfe – und lassen sich zum Facharzt ausbilden. Das Studium dauert nochmals fünf weitere Jahre. Viele angehende Gynäkologen und Gynäkologinnen beginnen nun bereits mit ihrer Dissertation. Abgeschlossen wird die weitreichende Ausbildung mit der Facharztprüfung. [9]
Gut zu wissen: Die Promotion zum Doktor der Medizin ist in die Kritik geraten. Weil sich die Ärzte während der Lehrjahre mehrheitlich auf die klinische Arbeit konzentrieren, entsprechen viele abgegebene Doktorarbeiten nur dem Mindeststandard. Insbesondere in der Zahnmedizin wird diskutiert, den Titel „Dr. med.“ zukünftig eher abzuschaffen. Andererseits ist es für ambitionierte Ärzte und Ärztinnen ohne Promotion kaum möglich, die höhere Berufslaufbahn anzustreben und beispielsweise Oberarzt oder gar Chefarzt werden zu können. [10]
Quellenangaben:
[1] https://m.thieme.de/viamedici/arzt-im-beruf-weiterbildungs-coach-fachaerzte-1571/a/facharztcheck-gynaekologie-und-geburtshilfe-25068.htm
[2] http://www.uni-frauenklinik-tuebingen.de/besuch-beim-frauenarzt.html
[3] https://www.aerztezeitung.de/medizin/med_specials/brustkrebs2011/article/673267/abtasten-brust-noch-nicht-ausgedient.html
[4] https://www.frauenaerzte-im-netz.de/diagnostik/gynaekologische-abstriche-abstrich-untersuchungen/gebaermutterhalsabstrich-portioabstrich-zervikaler-abstrich/
[5] https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/gebaermutterhalskrebs/frueherkennung.php
[6] https://www.gesundheitsinformation.de/gebaermutterhalskrebs-frueherkennung-und-vorsorge.2109.de.html?part=frueherkennung-ts
[7] https://www.maerkische-kliniken.de/klinikum-luedenscheid/kliniken-institute/frauenklinik/schwerpunkte/gynaekologische-operationen.html
[8] https://genogyn.de/frauenaerzte-der-genogyn-plaedieren-gynaekomastie-interdisziplinaer-behandeln-31-08-2015/
[9] https://www.dggg.de/weiterbildung-dggg-nachwuchs/junges-forum/perspektive-frauenarzt/
[10] https://www.sueddeutsche.de/bildung/medizinstudium-dr-med-zu-leichtgemacht-1.3473555
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