Phytinsäure – Was ist das überhaupt? Chemisch gesehen lässt sich die Phytinsäure erhalten, wenn Cyclohexanhexol, dass auch unter der Bezeichnung Inosit bekannt ist, verestert wird, und zwar so, dass jede der sechs Hydroxygruppen in einen Ester verwandelt wird. Cyclohexanhexol bildet ein gesättigtes Ringsystem aus sechs Kohlenstoffatomen mit jeweils einer Hydroxygruppe. Formal lässt sich Cyclohexanhexol also in die Gruppe der Alkohole einordnen.
Um einen Alkohol zu verestern, wird entweder eine Carbonsäure (zum Beispiel Essigsäure) oder eine anorganische Säure benötigt, mit der sich dann, in einer Gleichgewichtsreaktion, der Ester und Wasser bildet. Wird nun gedanklich vom Cyclohexanol ausgegangen und dieses mit Phosphorsäure versetzt, so würde man bei kompletter Veresterung aller Hydroxygruppen zur Phytinsäure gelangen. Ganz so einfach wird es dem Chemiker bei der Synthese in der Realität nicht gemacht.
Es geht hier aber nur um ein Gedankenexperiment, dass formal zeigen soll, wie sich Phytinsäure aus chemischen Vorstufen theoretisch aufbauen lässt. Die chemische Summenformel der Phytinsäure besteht aus sechs Kohlenstoffatomen, achtzehn Wasserstoffatomen, vierundzwanzig Sauerstoffatomen und sechs Phosphoratomen.
Natürliches Vorkommen von Phytinsäure
Phytinsäure kommt in vielen Pflanzen vor. In Hülsenfrüchten wie zum Beispiel der Erbse oder der Erdnuss. In Getreide wie zum Beispiel dem Gerstengras oder dem Weizengras. Und in vielen sogenannten Ölsaaten, also den Samen von Pflanzen, aus denen sich Speiseöl gewinnen lässt.
Phytinsäure – Die natürliche Funktion
Phytinsäure, die in der Natur als Anion vorkommt und als Phytat bezeichnet wird, bildet für viele Pflanzen ein Reservoir an notwendigem Phosphat und zahlreichen Elementen wie zum Beispiel Kalzium, Kalium, Magnesium, Eisen, Mangan oder Barium. Diese Elemente werden als Kationen mit Hilfe des Phytat gespeichert und bei Bedarf abgebaut. Damit können wichtige Mineralien und Phosphat in der Pflanze aufbewahrt und abgerufen werden.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass besonders viel Phytinsäure im Keimling mancher Pflanzen steckt, also dort, wo bei guten Umweltbedingungen ein explosives Wachstum der Pflanze einsetzt. Einige Literaturquellen sprechen außerdem von einer weiteren Funktion der Phytinsäure, die vergleichbar mit der Substanzklasse der Saponine als natürliches Pestizid bezeichnet wird. Das heißt, einige Pflanzen produzieren mit der Phytinsäure gleich auch ihr eigenes Pflanzenschutzmittel, dass vor Fressfeinden (wie zum Beispiel dem Menschen) schützen soll. In diesem speziellen Fall leider, aus Sicht der betroffenen Pflanzen, wirkungslos.
Die chemische und biologische Funktion
Ohne Zweifel besitzt die Phytinsäure eine herausragende Eigenschaft. Sie ist in der Lage, Mineralstoffe sehr gut zu komplexieren. Es bildet sich also ein Komplex aus dem Phytat und dem jeweiligen Mineralstoff, in dem der Mineralstoff selbst in seiner biologischen Funktion für den menschlichen und tierischen Körper nicht mehr erkennbar ist. Damit entfällt der Nutzen, den der Körper aus den Mineralstoffen ziehen kann.
Da es sich bei den Mineralstoffen, zu denen übrigens auch Zink gehört, um Elemente handelt, können diese zwar nicht aus dem Körper verschwinden oder in andere Substanzen umgewandelt werden wie bei vielen organischen Substanzen, aber dennoch sind die komplexierten Mineralstoffe für den menschlichen und tierischen Körper nicht mehr greifbar, nicht mehr abrufbar. Die Natur hat natürlich auch hier wieder vorgesorgt und einige Pflanzen, Mikroorganismen und Bakterien mit einem Enzym ausgestattet, dass Phytinsäure hydrolytisch abbauen hilft, dem sogenannten Enzym Phytase.
Besonders viel Phytase kommt zum Beispiel im Keim von Getreidekörnern vor, also besonders dort, wo beim explosiven Pflanzenwachstum und dem Wachstum des Keimlings ein gut ausbalanciertes Wechselspiel zwischen Speicherung und Bereitstellung von Phosphat und Mineralstoffen beginnen muss. Noch erwähnenswert ist, dass auch Wiederkäuer, also zum Beispiel unsere Kühe, durch die Bakterien in ihren Mägen, über ausreichend Phytase verfügen und so von der Natur dafür gesorgt wurde, dass Phytinsäure keine negativen Auswirkungen auf diese auf Gräser spezialisierten Tiere hat. Rein biologisch gesehen blockiert Phytinsäure auch die Verdauungsenzyme Pepsin und Trypsin.
Phytinsäure in unserer Nahrung
Ist es nun gut oder schlecht, wenn wir Menschen viele Pflanzen essen, die einen hohen Anteil an Phytinsäure enthalten? An dieser Frage scheiden sich, wie so oft im Leben, die Geister. Die einen sind der Ansicht, dass die Säure dafür sorgt, dass dem Körper wichtige Mineralien nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Vor allem, wer seine Nahrung überwiegend auf Basis von Getreide, Nüssen oder Hülsenfrüchten aufbaut, soll ganz besonders unter einem Mineralstoffmangel leiden.
Hier ist vor allem die Fraktion der sich vorwiegend ökologisch ernährenden Menschen angesprochen. Also vor allem auch diejenigen unter uns, die besonders auf Vollkornprodukte setzen und sich vegetarisch oder gar vegan ernähren. Ein ausreichend frühes Einweichen der Nahrung vor dem Verzehr kann hier aber bereits einen positiven Effekt im Sinne der Reduzierung von Phytinsäure bewirken. Die anderen gehen fest davon aus, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung keinerlei nachteilige Wirkungen für den Menschen entfaltet im Hinblick auf einen zu hohen Anteil an Phytinsäure in unserer Nahrung.
Das Gegenmittel
Bevor nun mögliche Gegenmaßnahmen gegen einen zu hohen Anteil der Säure in unserer Nahrung beleuchtet werden, ist vielleicht von allgemeinem Interesse, dass die Futtermittelindustrie bei der Verabreichung von Futter für Geflügel und Schweine zusätzlich auf Zugabe von Phytase setzt. Dem Enzym also, dass die Phytinsäure abbauen hilft. Allerdings gibt es bei dieser Maßnahme zwei Antriebsfedern. Zum einen nämlich der Wunsch, auf zusätzliche Phosphatzugaben im Futter verzichten zu können, die ja auch der tierische Organismus zum Wachstum benötigt.
Zum anderen aber auch, damit die Gülle nicht mit einem zu hohen Phosphatanteil belastet ausgestattet ist und die Umwelt unnötig belastet. Zurück zum Menschen und seiner Ernährung. Ausgehend von der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass sich eine Säure am besten durch eine Base neutralisieren lässt, ist in einigen Foren zu dem Thema die Rede davon, die vorhandene Phytinsäure einfach durch eine Base zu neutralisieren. Da ist zum Beispiel konkret von alten Hausmitteln wie Kaiser-Natron die Rede. Wer zum Beispiel vorhat, am nächsten Tag Erbsen zu essen, kann diese mit Kaiser-Natron versetzen und dann einen Tag einweichen.
Zurück zur Startseite