Gungnir, die Macht der Sonne – Odin alias Wotan, oberster Göttervater | In der nordischen Mythologie herrschte Odin im Reiche Asgar als Hauptgott über zwei heidnische Göttergeschlechter, die Asen und die Wanen. Sein nordgermanischer Name Odin wurde in der südgermanischen Form zu Wotan. Beide Namen fußten in der gemeinsamen indogermanischen Wurzel „wat“, was zu übersetzen wäre mit Begriffen wie entzünden, anfachen, geistig inspiriert sein. Auch „erregt“ und „schnell entflammbar“ treffen die Bedeutung des Wortstammes und damit den Wesenscharakter Odins. Gungnir, sein sagenumwobener Wurfspeer, unterstrich dessen Wirkung.
Wotan, der u. a. Richard Wagner zu seinen weltberühmten Opernwerken inspirierte, bedeutet also im weitesten Sinne „Wut“. Unerbittlich und erbarmungslos in seinem Zorn ließ Wotan jeden Gegner die Macht von Gungnir spüren. Kein Wunder, dass der Göttervater vor allem als Kriegs- und Totengott verehrt wurde, gleichzeitig aber auch als Gott der Dichtung, der Runen, der Magie und der (schamanischen) Ekstase. Während sein Volk der Asen als streitbarer, kriegslustiger Stamm bekannt war, galten die Wanen eher als friedfertige Wesen, die der Fruchtbarkeit und der friedlichen Koexistenz huldigten.
Gungnir, die Waffe zur Macht
Spricht man über Wotan, spricht man zwangsläufig auch über Gungnir. Gungnir sollte der Überlieferung nach den Krieg in die Welt getragen haben. Odins kriegerischen Feldzüge wären ohne Gungnir, dem „Speer aus Sonnenlicht“ undenkbar gewesen. Seine magische Wutwaffe Gungnir „der Schwankende“ konnte im Flug niemals gestoppt werden und Gungnir verfehlt der Sage nach niemals sein Ziel. Stets kehrte Gungnir zu seinem Besitzer zurück.
Dies erinnert an Thors Hammer Mjölnir, berühmt für ebendiese respekteinflößende Eigenschaft, jedoch mit einem wichtigen Unterschied zu Gungnir: Während Mjölnir ausschließlich durch Thors Hand geführt werden konnte, erlaubte Gungnir dies nicht nur seinem obersten Feldherrn Wotan. Gungnir stammte wie auch Mjölnir aus der meisterlich magischen Schmiede der Zwerge. Zwei Söhne des Zwergs Ivaldi stellten Gungnir her, den berühmten schlanken Speer mit seinen prächtigen Runenverzierungen in der Speerspitze und der Gott Loki machte Gunjir seinem Blutsbruder Odin zum Geschenk.
Sleipnir, das magische Ross
Loki, der „Luftige“ oder „Luftgott“ galt in der altnordischen Dichtung als hübsch, aber auch als hinterlistig. Als rein mythologischer und wenig verehrter Abkömmling des heidnischen Göttergeschlechts der Asen spielte er eine wechselvolle Rolle. Zunächst, so die Sage, war Loki mit Sigyn liiert und galt vorerst noch als Freund und nützlicher Verbündeter der Götter. In dieser Zeit schenkte er seinem Blutsbruder als Ergänzung zu Gungnir ein majestätisches Ross.
Dieses imposante achtbeinige Pferd trug den Namen Sleipnir, was so viel bedeutete wie „das Dahingleitende“. Zu Lande wie zu Wasser war Sleipnir fähig, besonders kraftvoll und schnell voran zu gleiten. Diese besondere Fortbewegungsart ließ Odin wesentlich schneller als andere Krieger weite Distanzen überwinden, was ihn zu einem sehr wendigen Kämpfer machte und ihm strategisch enorme Vorteile brachte. Indem Loki seinem Bruder den Speer Gungnir schenkte, förderte er die Macht des Göttervaters und untermauerte dessen Ruhm als unbezwingbaren Krieger.
Gungnir, Hugin und Munin, Spione im Federkleid
Odins Siege basierten jedoch nicht nur auf Sleipnir und Gungnir, sondern auch auf den Fähigkeiten guter Kundschafter. Der Findigkeit seiner wendigen Spione, seiner beiden treu dienenden Raben Hugin und Munin, war es zu verdanken, dass Odin stets bestens informiert zu sein schien. Selbst unter widrigsten Umständen waren die schwarzen Boten für den Göttervater im ganzen Reich unterwegs auf der Suche nach den aktuellsten Neuigkeiten, um ihm diese dann, während er Gungnir hielt, ins Ohr zu flüstern.
Die Abkehr Lokis
Doch die lange Jahre währende positive Beziehung zu den Göttern veränderte sich und Loki wendete sich nach seiner Bestrafung den Riesen zu. Aus seiner Liaison mit der Riesin Angrboda gingen die drei germanischen Weltfeinde Fenriswolf (Fenrir), Midgardschlange und die Totengöttin Hel hervor. Alle drei stellten für die Götterwelt eine große Bedrohung dar.
Feind Fenriswolf, der Verschlinger und Gungnir
Um die vierbeinige Gefahr zu bannen, beschlossen die Götter, den „Sumpf-Wolf“ nach Asgar zu bringen, damit sie ihn im Auge behalten konnten. Anfangs harmlos, wuchs der junge Wolf rasend schnell zu übernatürlicher Größe heran. Aus Angst, dass selbst Gungnir ihn in Zukunft nicht bändigen könne und Fenriswolf sie eines Tages alle verschlingen würde, legten die Götter ihn zunächst in schwere Ketten, die das Tier jedoch mühelos sprengte. Abhilfe sollte nun die Fessel Gleipnir schaffen, die – wie schon Gungnir – als weiteres magisches Werkzeug aus der Zwergenmanufaktur stammte und in den Augen des Wolfes wie ein harmloser Faden wirkte, der ihm nichts anhaben könnte.
Anders als Gungnir mit seiner massiven Pfeilspitze war Gleipnir gefertigt aus allen Dingen, die es in der Götterwelt nicht gab, beispielsweise Stimmen von Fischen, Vogelspeichel, Bergwurzeln und dem Klang von Katzenpfoten;Gleipnirs magische Kräfte steckten daher im Verborgenen. Trotz des unscheinbaren Aussehens der Schnur schöpfte der argwöhnische Fenriswolf Verdacht, dass man ihn hereinlegen wollte. Misstrauisch verlangte er zur Absicherung, um nicht in eine Falle zu geraten, dass einer der anwesenden Götter ihm als Sicherheitspfand die rechte Hand ins Maul legen solle.
Niemand wagte es, nur Tyr, der Gott des Krieges, zeigte sich bereit. Die Fessel schloss sich, und je heftiger Fenriswolf an ihr zerrte, um sich zu befreien, desto stärker zog sich Gleipnir zusammen. Rasend vor Zorn über diesen Betrug biss der Wolf aus Rache dem Tyr die Hand ab. Lange Zeit blieb Fenriswolf danach gefangen, denn die Fessel hielt lange stand. Doch schlussendlich befreite sich der Wolf in den Wirren des Weltbrandes dann doch und besiegelte das Zeitalter des Odin, indem er ihn verschlang. Odins Sohn Vidar rächte seinen Vater im anschließenden Zweikampf mit dem Verschlinger, der nun auch sein Ende fand.
Gungnir: Feind Midgardschlange und der vergiftete Himmel
Die Midgardschlange Jörungand als Zweites von Lokis Kindern war eine weltumspannende Seeschlange, die im Ozean lebte. Sie wurde Weltenschlange genannt, weil sie sich in den eigenen Schwanz biss und in dieser Ringform an einen Kreis und damit an die Welt erinnerte. Nach langer Zeit gab sie ihren Schwanz jedoch frei und löste so den großen Weltenbrand Ragnarök aus, quasi die letzte Schlacht vor dem Untergang. Thor stellte sich ihr mit seinem Hammer Mjölnir ein letztes Mal entgegen und wurde, bevor sie dem Ozean entstieg, um den Himmel zu vergiften, von ihrem vernichtenden Biss erwischt und erlag ihrem tödlichen Gift.
Gungnir: Feind Hel, zweifarbige Herrscherin der Unterwelt
Die Totengöttin Hel trieb ihr Unwesen in der gleichnamigen Unterwelt Helheim, nachdem die Götter sie aus Asgard verbannt hatten, um sie als Weltfeindin unschädlich zu machen. Hel wurde dem Volk der Riesen zugerechnet. Ihre Hautfarbe war zur Hälfte normal, also lebendig und zur Hälfte Blau-Schwarz als Ausdruck des Todes. Unter den Wurzeln des Weltenbaum Yggdrasil verborgen, herrschte sie hart, aber gerecht über ihre Untertanen, nämlich jene, welche einst den Tod auf einem Sterbebett fanden, dem sogenannten „Strohtod“. Helheim konnte nur über den Todesfluss Gjöll oder die goldene Brücke Gjallarbru erreicht werden. Ein Entrinnen war extrem gefährlich und daher kaum möglich.
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